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Tagsüber tanzen die Hexen nicht

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An dieser Stellen steht ein Bild mit dem Titel: Die Phantasie schwärmt, der Verstand wehrt sich: Hexentanzplatz (rechts) auf dem Wildenburger Kopf (Foto: H.-J. Schneider)

Ein Vorschlag für Deutschlands schönsten Wanderweg 2014

War ich am vergangenen Tag der Deutschen Einheit noch begeistert vom Schönsten Wanderweg Deutschlands 2012, so hat mich am Tag danach der Hunsrück abermals überrascht. Und das auf einer Strecke, die ich eigentlich kennen sollte. Es ist diesmal eine Strecke, die mehr als doppelt so lang ist (24 km) wie die Hahnenbachtal-Tour vom Tag zuvor. Wichtigste Wegpunkte: Bruchweiler, Kempfeld, Wildenburg (mit Hexentanzplatz), Hohenfels, Rosselhalden bei Katzenloch, Kirchweiler FestungRingskopfGeopark Krahloch bei Sensweiler, Sensweiler, Langweiler, Bruchweiler. Der Weg folgt teilweise dem Saar-Hunsrück-Steig, verlässt ihn aber auch streckenweise, wo mir das sinnvoll erscheint.

Ich starte (heute alleine, denn die beste Schwester der Welt hat einen Zahnarzttermin) in Bruchweiler, das Dorf schläft noch. Neben der Landstraße laufe ich auf Kempfeld zu, dahinter erhebt sich der Wildenburger Kopf mit dem markanten Aussichtsturm. Ein Stück links davon – ein wenig flacher – die Kuppe der Mörschieder Burr. Der Himmel ist grau verhangen, ein paar Lichtstreifen schaffen eine wehmütige Stimmung.

 

Gegenüber vom Hotel Hunsrücker Fass geht es links ab Richtung Wildenburg. Auf der Straße, später daneben, verlasse ich meinen ehemaligen Heimatort, der Weg steigt allmählich an. Anstatt nun geradewegs der Straße zu folgen, biege ich hinter dem Sportplatz auf den Forstweg ab, der mich in den Wald hineinführt.  Auf ihm geht es nun über die Kuppe zwischen Mörschieder Burr und Wildenburger Kopf.

Hier finde ich den Einstieg in den Saar-Hunsrück-Steig. Eigentlich müsste ich hier nach links, denn die Mörschieder Burr gehört zweifellos zu den Highlights im Hunsrück. Aber da ich noch einige Unwägbarkeiten vor mir habe, verzichte ich heute, schlage mich also nach rechts Richtung Wildenburger Kopf. Der Saar-Hunsrück-Steig schlängelt sich auf der Südseite der Höhenzuges Richtung Wildenburg. Wer es ein bisschen abenteuerlicher liebt, kann auch versuchen, direkt über die Felskanzeln seinen Weg zu suchen. Für einen sportlichen Wanderer ohne allzu große Höhenangst sind die Felsklippen kein Hindernis, jetzt im Herbst heißt es allerdings aufpassen, denn die Steine sind mit feuchten Moosen überzogen, da ist ein wenig Vorsicht angebracht. Schon Kelten und Römer haben sich hier oben aufgehalten, ein paar wenige, angenehm dezent aufgestellte Infotafeln erzählen Geschichten aus jener Zeit.

 

Was mich aber am meisten anzieht, und wo ich immer hingehe, wenn ich in der Nähe bin, ist der Hexentanzplatz. Seit Jahren schon versuche ich in der Walpurgisnacht dort oben zu sein, um zu sehen, ob moderne Hexen sich auf dem geschichtsträchtigen Platz treffen, um wild um ein Feuer zu tanzen, aber so oft ich in den letzten Jahren in der Nacht vor dem 1. Mai im Hunsrück war,  hat es wie aus Eimern geschüttet. Tagsüber aber tanzen sie nicht, trotzdem kann ich mich dem Bann dieses Platzes nicht entziehen.

 

Aber auch der stärkste Bann ist mal gebrochen, schnell erreiche ich den Wildenburger Kopf, steige auf den Turm, um den faszinierenden Rundumblick zu genießen. Das trübe Wetter und der Frühnebel, der aus dem Tal mit der Steinbachtalsperre kommt, aber begrenzen die Sicht. Wieder verzaubern einige Lichtstreifen am ansonsten grauen Himmel die Stimmung. Die Anlage am Fuß des Turms – ehemalige Burg und später Amtsitz – ist liebevoll restauriert, aber wartet auf einen Pächter, der die Gastronomie hier oben wieder zum Leben erweckt.

 

Vorbei am Wildfreigehege geht es nun fast schnurgerade durch den Wald Richtung Katzenloch, bis mich einige Zeit später ein Schild nach links auf einen schmalen Pfad Richtung Hohenfels schickt. Im Buchenwald leicht bergauf steigend, überfallen mich Erinnerungen an Jugendjahre. Bald lichtet sich der Wald, vor uns liegt die erste von mehreren Rosselhalden, die wir heute noch zu sehen bekommen. Der ganze Berghang ist ein einziges Felsenmeer, so als sei hier ehedem eine gigantische Steinlawine abgegangen. Die Steinschicht ist dabei so mächtig, dass eine höhere Vegetation hier bisher keinen Fuß fassen konnte. Am Rande der Halde haben sich vornehmlich Birken angesiedelt.

Der Pfad schlängelt sich durch das Felsenmeer, ein wenig erinnert mich die Landschaft an japanische Tuschezeichnungen. Ein, zwei Kurven, dann stehe ich direkt am Hohenfels, einer Felskanzel, die ein wenig aus dem Geröllmeer hervorsticht. Direkt unter mir liegt das kleine Örtchen Katzenloch.

 

Ich schlage mich (jetzt mit dem Hohenfels im Rücken) nach halbrechts über die Kuppe, zunächst ohne Weg ein Stück durch den Wald, dann auch dort quer über die Blöcke der dortigen Rosselhalde. Manch einer der Steine wackelt unter meinen Füßen, also auch hier sollte man schauen, wohin man tritt. Am gegenüberliegenden Ende der Halde geht es wieder in den Wald hinein. Bald stoße ich auf einen Weg, orientiere mich jetzt Richtung Kirschweiler und Geopark. Der führt mich dann bald in Serpentinen durch eine der größten Rosselhalden dieses Hanges bergab.  Wieder bin ich fasziniert vom Gestaltungsreichtum der Natur. 

 

Schnell geht es hinunter ins Tal des Idarbaches. Auf der anderen Talseite wartet der längste Anstieg dieser Tour. Innerhalb von etwas mehr als einer halben Stunde geht es durch den Wald – vorbei am Bärloch (keine Angst, Bären wurden hier schon lange nicht mehr gesehen, auch keine Problembären) – hinauf zur Kirschweiler Festung. Auch hier gaben sich Kelten (Kultstätte) und Römer (Grenzposten) die - nicht vorhandene – Klinke in die Hand. Wieder erklimme ich die Felsen, wieder genieße ich die Sicht auf die umliegenden Dörfer.

Als nächstes aber wartet der Ringskopf. Der Weg ist ausgeschildert. Es geht weiter in westlicher (WSW) Richtung. Im niedrigen Jungwald dann kurz ein Zögern. Der Saar-Hunsrück-Steig will nach rechts, ich will aber geradeaus. Das Problem: Der Weg geradeaus ist fast überwuchert, die zugehörigen Schilder (Sirona-Weg und Hunsrückhöhenweg) sind verwaschen und kaum noch lesbar. Für ein paar Minuten lasse ich mich tatsächlich verunsichern. Soll ich dem aktuellen Trend folgen, der immer neue Steige, neue Premiumwanderwege sucht, um dem Wandertouristen neue Leckereien auftischen zu können? Oder soll ich meiner ursprünglichen Idee folgen. Natürlich interessiert es mich, wie der Saar-Hunsrück-Steig hier verläuft, aber das würde heißen, den Ringkopf zu ignorieren.

Also weiter in der ursprünglichen Richtung. Kurz vor dem Ringkopf begegne ich Pilzesammlern aus Allenbach. Der Ringkopf ist eine weitere keltischen Anlage hier im Hochwald. Sie liegt auf einem Plateau auf etwa 650 m Höhe.

Vom Ringkopf schlage ich mich nun ohne Weg in nordwestlicher Richtung (NNW) durch den Wald – alten Schneisen ohne Weg folgend.  Ich treffe auf einen Forstweg und laufe nach links, dann wieder nach rechts in den Wald. Der nächste Weg wird gekreuzt und dann mache ich den Fehler und gehe abermals links anstatt nach rechts. Nach einiger Zeit stehe ich an der B422, das war auch mein Plan, aber ich wollte eigentlich direkt gegenüber vom Geopark Grahloch aus dem Wald herauskommen, stattdessen befinde ich mich kurz vor Allenbach. Bei der Wirschweiler Mühle wechsle ich über die Straße und über den Idarbach. Hier geht es nun nach rechts auf einem idyllischen Auenweg durch das Tal des Idarbaches Richtung Geopark. Der Weg zieht sich, ist aber dann doch irgendwann geschafft. Meinen Zeitplan kann ich nun endgültig vergessen.

Da ich den Geopark Krahloch (hier befand sich vor Jahrzehnten die offene Müllkippe von Sensweiler – hier kippte jeder seinen Müll ab) kenne, stiefele ich direkt Richtung Sensweiler, hier habe ich die ersten zehn Jahre meines Lebens verbracht. Auf der Straße niemand, der mir noch bekannt vorkäme. Das Reststück des Weges über Langweiler nach Bruchweiler muss ich mir schenken. In Bruchweiler wartet der beste Spießbraten der Welt. Also rufe ich meine Schwester an, ob sie mich abholen kann.  Sie kann. In der Zwischenzeit hat sich die Sonne wieder zurückgemeldet. Wir sitzen im Garten, unter dem Schwenkgrill brennt das Buchenholzfeuer. Dazu eine Flasche Bier in der Hand – ein wunderbarer Abschluss für einen wunderbaren Wandertag.

 

 


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